Nowa Amerika – das gelobte Land

Michael Kurzwelly

Nowa Amerika ist eine Wirklichkeitskonstruktion, durch die es gelungen ist, einen neuen Raum beiderseits von Oder und Neiße zu gewinnen. Friedrich der Große hat dazu beigetragen, dass Polen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von der Landkarte verschwand, was klar zu verurteilen ist. Aber er hat auch neue Landstriche ohne kriegerische Handlungen gewonnen, wie z.B. das Oderbruch. Wenige wissen aber, dass er auch im Mündungsgebiet der Warthe Sümpfe trocken legen ließ, Deiche errichtete und so das Warthebruch entstand. Er siedelte hier Landwirte an, schenkte ihnen Haus, Hof und Land. Über mehrere Generationen waren die Landwirte von der Steuer befreit und damit sie sich auch wie richtige Pioniere fühlten, erhielt der Landstrich den Namen Neu-Amerika. Es entstanden neue Dörfer mit verheißungsvollen Namen, wie Pensylvanien, New Hampshire, Neu Yorck, Florida, Maryland, aber auch Jamaika und Sumatra. Auf der heutigen Landkarte sind einige Dörfer wieder verschwunden, aus Jamaika wurde Jamno. Nur Malta ist geblieben. Diese ungewöhnliche Geschichte hat uns dazu inspiriert, unseren neuen Raum, der den durch die ehemalige deutsch-polnische Staatsgrenze getrennten Grenzraum verbindet, Nowa Amerika zu nennen, das Land der Pioniere und Freiheitshungrigen, die einen neuen Raum bürgergesellschaftlich gemeinsam gestalten wollen und erkannt haben, dass dies unser Gelobtes Land ist.

Die Grenzen von Nowa Amerika

Nowa Amerika’s Grenzen sind fließend. Mal dehnt sich unser Land in der Peripherie bis Poznań und Berlin aus, mal zieht es sich wieder zusammen. Jedoch hat Nowa Amerika ein Rückgrat, das durch die ehemalige deutsch-polnische Grenze, also die beiden Flüsse Oder und Neiße gebildet wird. Die Karten in Nowa Amerika richten sich nach Ost- und Westpol, obwohl auch die Nord- Südachse für die Raumerfahrung von Nowa Amerika nicht unbedeutend ist. Słubfurt ist die Hauptstadt von Nowa Amerika, New Szczettin die Metropole, Las Forst die Spielhölle, Zgörzelic unser Freilichtmuseum, Musknica unser Park… und Odera und Nyße unsere Leidenschaft. Außer Deutsch und Polnisch spielt Słubfurtisch im Alltag der Menschen eine große Rolle. Nowa Amerika ist jung und braucht auch Ihre Hilfe, um zu wachsen und zu gedeihen. Die Größe von Nowa Amerika hängt von der Vielzahl der Köpfe ab, die an Nowa Amerika glauben.

KNGNA

Kommission für Namensänderungen
in den Gebieten von Nowa Amerika

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den Siegermächten die politische Karte Europas neu geordnet. Obwohl Polen damals zu den größten Opfern gehörte, wurde auf Druck Stalins beschlossen, die Grenzen Polens von Osten nach Westen zu verschieben. Gebiete im Osten wurden der Sowjetunion (Litauen, Weißrußland, Ukraine) zugeschrieben. Dafür erhielt Polen im Westen ehemals zu Deutschland gehörende Gebiete. Die Folge davon war eine der größten Völkerwanderungen des 20. Jahrhunderts. Polen aus den bisherigen polnischen Ostgebieten, den sogenannten „Kresy“ mussten ihre Heimat verlassen und viele von ihnen wurden in die ehemals deutschen Ostgebiete umgesiedelt. Die deutschen Bewohner dieser Gebiete mussten ebenfalls ihre Heimat verlassen und Richtung Westen ziehen. Die polnische Regierung hatte nun aber ein Problem. Wie umgehen mit den ganzen deutschen Städtenamen, der Architektur, dem deutschen Kulturerbe? Die Lösung war, auf eine Zeit zurückzugreifen, in der diese Gebiete von den Piasten besiedelt waren, der Fürstendynastie, die das polnische Königreich begründete, damals, im 10.-11. Jahrhundert. So wurden diese Gebiete zur „Ziemia Odzyskana“, zum „Wiedergewonnenen Land“. Das deutsche Kulturerbe wurde negiert und noch heute findet man auf der postpolnischen Seite Nowa Amerika’s viele Straßen, Siedlungen, Hotels, Restaurants und Kino’s, die den Namen der Piasten tragen. In Warschau wurde die „Komisja do Spraw Nazewnictwa na Ziemiach Odzyskanych“ (Kommission für Namensänderungen in den Wiedergewonnenen Gebieten) gegründet, die sämtliche ehemals deutschen Städtenamen in polnische verwandelte. Manche Städtenamen wurden übersetzt. Aus Grünberg wurde Zielona Góra. Manche wurden phonetisch verändert. Aus Stettin wurde Szczecin. Manche wurden im Sinne der Piastendynastie verwandelt. So wurde aus Bärwalde Mieszkowice, benannt nach Mieszko dem Ersten, dem Gründer des piastisch-polnischen Fürstentums, dessen Statue heute den Rathausplatz schmückt. Übrigens haben es die Deutschen unter den Nazis auch nicht anders gemacht mit einigen Orten in Brandenburg, die ihnen zu slawisch klangen. So wurde aus dem Dorf Tzschetschnow bei Frankfurt (Oder) das noch heute so genannte Güldendorf. Um die Identifikation der Bürger mit Nowa Amerika zu erleichtern, hat auch unsere Regierung eine „Kommission für Namensänderungen in den Gebieten von Nowa Amerika“ gegründet und arbeitet noch immer eifrig an neuen Bezeichnungen für Orte, Städte und Straßen auf dem Gebiet von Nowa Amerika.

Sedina

Sedina (lat. sedinum – das Nachahmenswerte, Musterhafte, auf seinem Gebiet Ideale) war nicht nur eine Allegorie der Stadt Szczecin seit dem 10. Jahrhundert, obwohl sie damit am häufigsten assoziiert wird. Angeblich war sie die Ehefrau von Johannes Scolvus, dem eigentlichen Entdecker des Alten Amerikas. Sedina war eine Gottheit im Pantheon des Triglaw (der Dreiköpfige), in der christlichen Ikonographie ist sie seit dem Mittelalter gegenwärtig. Beschützerin der Schwachen und Starken, Patronin der Künstler und Antikünstler, Amazonen und Machos, erster VIP von Nowa Amerika – Sedina hat viele Gesichter. Mit ihr identifizieren sich die Mehrheit der Frauen und fast alle Männer Nowa Amerikas (Sedina kommt auch als Sedin vor). Sie ist ein Star, wie jeder Nowa-Amerikaner ihn sich erträumt. Auch kann jeder und jede selbst Sedina oder Sedin sein. Sie ist ein Traum, die jeden Augenblick Wirklichkeit werden kann. Forschungen zu ihrer Person führt das SedinaInstitut durch. Es ist u.a. für die Rekonstruktion des Westpommerschen Kontemplations-Gemaches verantwortlich, hat die Sedina-Kapelle in der schönen Stettiner Villa Lentz restauriert, den mobilen Sedina-Altar rekonstruiert, und auch die allgemeinsedinistischen Séancen des Seelenkontaktes ermöglicht. Sedina ist Schutzherrin von Nowa Amerika, ihr Konterfei schmückt u.a. den Stempel des Landes.

Personalausweis

Nowo-Amerikaner kann jeder werden. Es reicht das Bekenntnis zu Nowa Amerika und seinem Grundgesetz, ganz egal, woher Sie kommen. Die Beantragung eines Ausweises gilt bereits als Bekenntnis. Daher reicht es auch, wenn Sie auf unserer Website digital Ihr Formular ausfüllen und ein Foto Ihrer Wahl einfügen. Das ausgefüllte Formular schicken Sie dann an eine unserer Staatsdruckereien, wo sie dann den Ausweis gegen eine Gebühr von 2€ (8 zł) abholen können. Erst mit Ihrer Unterschrift vor Ort wird der Ausweis rechtsgültig und Sie können sich stolz als Bürger von Nowa Amerika bezeichnen.

Tourismusführer Nowa Amerika

Gebrauchsanleitung (Vorwort)

Jedem Staubsauger, jedem Haushaltsgerät ist eine Gebrauchsanweisung beigefügt. Selten wird sie gelesen und wenn sie gelesen wird, ist sie oft derart umständlich geschrieben, dass man sie gleich wieder beiseitelegt. In diesem Fall mag der Sachverhalt umgekehrt sein: lesen Sie die Gebrauchsanleitung nicht, dann legen Sie möglicherweise dieses Buch beiseite, weil es Ihnen unsinnig erscheinen mag. Zu sehr sind wir es gewohnt, uns auf eine von anderen vorgegebene Realität festzulegen. Zwar sehnen wir uns vielleicht nach einer besseren Welt und träumen bei Fantasy-Romanen von anderen Welten, aber kaum einem ist so richtig bewusst, dass wir uns unsere Welt erst erschaffen. Nehmen wir einmal an, dass die Wirklichkeit eine Konstruktion ist, die wir mithilfe unserer Sinne und der Kommunikation untereinander erst erschaffen. Täglich konstruieren wir unsere eigene kleine oder große Geschichte, bewusst oder unbewusst. Dadurch erst entsteht Identität. Manche Erzählungen werden von Generation zu Generation weiter gegeben und manchmal unreflektiert übernommen. Manchmal dienen Erzählungen dazu, Machtansprüche zu verdeutlichen oder zu verführen. Erzählungen können aber auch dazu dienen, neue Denk- und Handlungsräume zu eröffnen, Grenzen in den Köpfen wegzudenken und dann seine Beziehungen neu zu knüpfen. Nowa Amerika ist so ein Raum. Hier die Deutschen, dort die Polen, das gibt es nicht mehr bei uns. Wir sind Nowo-Amerikanerinnen und Nowo-Amerikaner mit post-polnischem, post-deutschen und vielen weiteren Migrationshintergründen. Wir haben einen neuen Raum im Zwischenraum gegründet, der die Dialektik zwischen zwei nationalstaatlichen Gesellschaften aufhebt. Als Nowo-Amerikaner fühlen wir uns dieser neuen Gemeinsamkeit verpflichtet, weshalb es bei uns auch keine deutsch-polnischen Händeschüttelperformances mehr gibt. Wir laden Sie ein, sich als Tourist in unser schönes Land zu begeben und es mit unseren Augen zu sehen. Spielen Sie mit, nehmen sie alles sehr ernst und vielleicht fällt Ihnen noch ein weiterer Baustein für die Konstruktion von Nowa Amerika ein?